Gibbons gelten als die bedrohtesten Menschenaffen der Welt. Besonders der Lebensraumverlust, aber auch der exzessive Handel als ausgefallenes Nahrungsmittel oder als vermeintliche Medizin macht den Gibbonbeständen sehr zu schaffen. Zudem sind junge Gibbons begehrte Haustiere. Gibbonmütter werden getötet, um den hilflosen Nachwuchs anschließend auf Heimtiermärkten anzubieten.
Doch kaum einer weiß um die prekäre Lage dieser asiatischen Baumbewohner. Ganz im Gegensatz zu ihren viel bekannteren großen Verwandten den Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen und Bonobos spielen Gibbons im Interesse der Öffentlichkeit bislang kaum eine Rolle.
Um verstärkt auf die Gefährdung dieser singenden Kletterer aufmerksam zu machen, wählte die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. (ZGAP) den Gibbon zum „Zootier des Jahres 2019“. Ziel ist es, so auch die koordinierten Erhaltungszuchtbemühungen in Zoologischen Gärten und zudem Schutzprojekte in den südostasiatischen Ursprungsländern zum Fortbestand besonders betroffener Arten zu unterstützten.
In enger Zusammenarbeit mit der „Deutschen Tierpark-Gesellschaft e.V.“ (DTG), dem „Verband der Zoologischen Gärten e.V.“ (VdZ) und der „Gemeinschaft der Zooförderer e.V.“ (GDZ) werben die teilnehmenden Zoos, Zoo Freundeskreise, Naturschutzorganisationen und andere Partner verbandsübergreifend jährlich für den Erhalt einer gefährdeten Tierart. Eingeworbene Gelder helfen diesmal konkrete Maßnahmen zum Erhalt der kleinen Menschenaffen beizutragen.
Gibbons leben in monogamen Familienstrukturen. Durch weittragende Gesänge grenzen die Paare bzw. Familien ihre Reviere im dichten Regenwald ab. Auf dem Boden bewegen sie sich wie Menschen im aufrechten Gang fort. Das sind auf den ersten Blick einige Parallelen zu uns Menschen und dennoch haben Gibbons ein Imageproblem. Durch ihre geringe Körpergröße, die sehr langen Arme und ihre versteckte Lebensweise in den Baumwipfeln werden sie von Laien nicht als Menschenaffen erkannt und somit auch deshalb von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Zur Imageverbesserung berücksichtigt die ZGAP bei der Wahl zum jeweiligen „Zootier des Jahres“ Tierarten, deren Bedrohung bisher nicht im Fokus der Öffentlichkeit steht. Schon mehrfach wurden Arten unbeachtet ausgerottet – einfach, weil das Wissen über sie nicht ausreichend war oder weil die dringende Notwendigkeit, sich für ihren Erhalt einzusetzen, nicht genug Anklang in Naturschutzkreisen und den Medien fand. In China wurden in den letzten 20 Jahren bereits zwei Gibbonarten ausgerottet. Dieses Schicksal soll den verbliebenen Gibbons durch die Ernennung zum „Zootier des Jahres 2019“ erspart bleiben. Die Kampagne „Zootier des Jahres“ hat das Ziel, die Artenschutzarbeit der Zoos mit den Bemühungen von Projektteams vor Ort zu vereinen, um so die Ausrottung der im Fokus stehenden bedrohten Arten möglichst effektiv zu verhindern. Ohne den Einsatz vieler Zoos und Tierparks als treibende Kraft der Erhaltungszuchten und wichtige Bildungsorte mit Millionen von Besuchern jährlich, wäre das Überleben vieler Tierarten nicht möglich. Beeindruckende Beispiele zeugen vom Erfolg, den die Zoos auf dem Gebiet des Artenschutzes bereits erzielten: mehr als 50 Tierarten waren in der Natur ausgerottet und konnten in Menschenhand gerettet werden.
Die natürlichen Lebensräume der Gibbons werden durch Abholzung, Straßenbau sowie landwirtschaftliche Flächennutzung zunehmend vernichtet. Häufig fehlen den Gibbongruppen Ausweichmöglichkeiten die ihren Ansprüchen an ein geeignetes Habitat entsprechen.
Gibbons werden massiv durch die illegale Jagd bedroht. Steigende Verkaufspreise für traditionelle chinesische Medizin oder den Heimtierhandel bewirken eine Intensivierung der Jagd auf seltene Wildtiere. Immer tiefer dringen die Wilderer in die Wälder vor, da viele Tierarten in den Randgebieten bereits ausgerottet sind.
Mit diesen Problemen haben alle zu kämpfen, die Gibbons im Freiland schützen möchten. Ein schwieriges Unterfangen! Die Artenschutzkampagne „Zootier des Jahres 2019“ wird zwei wichtige Gibbon-Schutzprojekte unterstützen. Zum einen ein Projekt in Laos in dessen Wirkungsbereich zwei Gibbonarten leben und zum anderen ein Projekt, das sich für den Erhalt der Gibbons in Vietnam einsetzt.
Die beiden Projekte im Überblick:
Weißwangen-Schopfgibbon Projekt – Nakai-Nam Theun, Laos
In Laos ist das nationale Schutzgebiet Nakai-Nam Theun mit 3.500 km² eines der letzten großen zusammenhängenden Waldgebiete der indochinesischen Halbinsel. Es beherbergt zahlreiche endemische und stark bedrohte Arten. Hier leben Nördliche (Nomascus leucogenys) und Südliche Weißwangen-Schopfgibbons (Nomascus siki).
„Project Anoulak“ bedeutet Hilfe für die seltenen Tierarten in Laos. Um die illegale Wilderei zu reduzieren patrouillieren in sorgsam ausgewählten Bereichen 24 ausgebildete Ranger durch den Wald, die durch die lokale Regierungsbehörde unterstützt werden. Vom Projektteam wird Feldforschung betrieben um die Lebensweise der heimischen Tierarten zu verstehen und deren Verbreitungsgebiet zu definieren um so die bestmöglichsten Schutzmaßnahmen umzusetzen.
Das „Projekt Anoulak“ legt zudem viel Wert auf Umweltbildung für die nächste Generation und möchte durch Aufklärung der lokalen Bevölkerung einen gewissen Stolz auf den einzigartigen Artenreichtum der Region erlangen.
Gelbwangen-Schopfgibbon Projekt – Kon Plong, Vietnam
In Zentralvietnam leben noch etwa 800 der bedrohten Nördlichen Gelbwangen-Schopfgibbons (Nomascus annamensis). Ihr Lebensraum in den bergigen Wäldern ist von Abholzung, Fragmentierung und Ausplünderung bedroht.
Ziel ist es, den Lebensraum der Gibbons großflächig unter Schutz zu stellen und so ein Überleben dieser Art dauerhaft zu sichern. Dabei sollen einerseits zwei bestehende Schutzgebiete miteinander verbunden werden und ein weiteres großes und bislang weitgehend unerforschtes Waldgebiet angefügt werden. Letzteres beherbergt neben den Gibbons die wohl größte Population des extrem gefährdeten Grauschenkligen Kleideraffen. Ergebnis der Maßnahmen ist ein Gibbon-Schutzgebiet von über 120 000 ha Fläche und ein echter Meilenstein zum Erhalt dieser Arten.
Darüber hinaus erhalten Ranger eine verbesserte Ausbildung, um die Gibbons vor Wilderei zu schützen. Durch gezieltes Monitoring werden nicht nur die Gibbonbestände erfasst, sondern auch Fälle von Wilderei aufgedeckt und zusammen mit den zuständigen Behörden verfolgt. Durch Umweltbildung, Öffentlichkeitsarbeit und Zusammenarbeit mit lokalen Schulen wird die Bevölkerung für den Gibbonschutz sensibilisiert.
In alle Maßnahmen und Entscheidungen wird die ortsansässige Bevölkerung intensiv miteingebunden. Nur so kann ein erfolgreicher Schutz der Gibbons gelingen.
2019 ZTDG Infobrief 1 (1.Infobrief vom Mai 2019)